Saalschutz gehen auf Abschiedstour. Bevor das Duo zum letzten Mal die Bühnen betritt, haben sie Henry Lührs einige Fragen zur Auflösung beantwortet. Ein Rückblick auf eine unserer ewigen Lieblingsbands. Macht es gut und wir sehen uns hoffentlich bald am Tresen wieder!
Ihr habt mal in einem Radiointerview gesagt, dass ihr euch auflösen könntet, um ein Comeback zu feiern und damit weniger Nettojahre zu haben. 15 Jahre hat Saalschutz jetzt allerdings existiert. Hat sich letztendlich alles so entwickelt, wie ihr euch das vorgestellt habt?
Es waren 16 Jahre. Vermutlich, weil wir das nicht so durchgezogen hatten mit der Auflösung und dem Comback. Wir hatten mal eine eintägige Existenzpause. 1. Mai Abschiedskonzert. 3. Mai Comeback. Mit Flyer und allem. Das müsste 2003 gewesen sein, also noch vor der ersten Platte. Was dazu führt, wie wir uns das vorgestellt haben: Nein, wir hätten nie gedacht, dass so viele Leute das mögen, dass wir vier Platten machen, dass die Leute die Texte mitsingen und dass ihnen das wirklich etwas bedeutet. Das ist cool. Und dafür sind wir sehr dankbar.
Wie fühlt ihr euch gerade mit der Entscheidung die Band Saalschutz nach all den vielen Jahren und Geschichten 2017 aufzulösen?
Gut.
Ihr habt schon einmal eine längere Pause gemacht, andere Sachen geplant, gearbeitet und wart als Band in der Zeit Ideenlos. Dann habt ihr doch wieder ein Album rausgebracht. Schließt ihr es aus, dass Saalschutz jemals wieder zurück kommt?
Diese längere Pause war ja keine Bandauflösung, sondern wie beschrieben eine Phase der Ideenlosigkeit und damit verbundenen leichten bis mittelschweren Verzweiflung. Eigentlich wird das jetzt schon beerdigt. Es stellt sich die Frage, wie viel uns unsere Integrität wert ist. Für uns unvorstellbar, dass jemand diese 50 Euro aufwirft.
Elektronische Musikprojekte macht ihr schon lange. Inwiefern wollt ihr bei der Musik bleiben?
Wir werden wohl immer in irgend einer Form Musik machen, wir haben immer Musik gemacht. Mal mehr mal weniger. Mal gehäuft, mal in lockerer Folge.
Wenn ihr euch entscheiden müsstet für eine Seite aus eurer Bandgeschichte, welche würdet ihr rausreißen?
All die Seiten mit den Autofahrten, dem Auf- und Abbau und Soundchecks zwischen den Auftritten. Das langweiligste der Welt. Dass jemand dieses „on the road sein“ geil finden könnte, würden wir auch nach 100 Jahren und vermutlich auch mit luxuriösem Major-Status nicht verstehen. Außer dass man im Auto Hörspiele hören kann, das ist schön. Bei den Soundchecks ist das schwieriger.
Wie sehen eure privaten oder auch musikalischen Pläne jetzt aus?
Es gibt ja einerseits die Band Erneuerbare Energien und andererseits den elektronischen Rolf Saxer Live Act. Da findet man zu allem was auf Soundcloud oder Facebook.
Ihr kommt aus Zürich, seit aber schon lange bei dem Label Audiolith in Hamburg. Wo fühlt ihr euch mehr zu Hause und wie kam es überhaupt zu der Connection?
Unsere Lebensmittelpunkte sind Zürich und Bern. Aber Hamburg mögen wir sehr und sind immer mal wieder da. Zuletzt an Lewes Geburtstag.
Ihr gehört zu den Künstlern, die schon lange in der Familie von Audiolith sind. Wie erlebt ihr die Entwicklung, zum Beispiel neuerer Künstler, beim Label?
Ehrlich gesagt sind wir da nicht immer auf dem aktuellsten Stand. Es ist so eine Fülle und wir sind ja beide auch neben und nach Saalschutz immer am Musik machen und auflegen etc. Aber wir freuen uns, dass es gut läuft und wenn es möglich ist schauen wir uns immer Audiolith-Bands an, wenn diese in der Nähe spielen.
Was ist für euch Ravepunk heute, wie würdet ihr das Subgenre erklären?
Ravepunk ist mehr Haltung denn Genre. Ravepunk hat keine Nation, keine Rasse und kein Geschlecht. Hatte es nie. Ravepunk ist auf faszinierende Weise sinnlich und gewitzt. Gleichsam ist es der kleine dicke Aussenseiter der Musikszene. Aber mit geheimen Superkräften, die z.B. verwundete Herzen heile machen.
Wie wichtig war es rückblickend, dass ihr das Genre Ravepunk ins Leben gerufen habt? Inwiefern habt ihr elektronische Musik beeinflusst?
Wir haben vermutlich ein bisschen dadaistisch gefärbte Anarchie in die jüngere elektronische Musik rein gebracht. Und wir haben offengelegt, dass man etwas auch mit künstlerischer Qualität, Tiefe, Hingabe und Liebe machen kann, ohne sich als Band permanent super ernst zu nehmen. Natürlich wurde das auch mal als Quatsch und Mist abgetan. Aber wie gesagt: Viele Leute hatten Spaß daran. Und wir sind ja auch ein bisschen rum gekommen, ohne dass wir je in den Charts gewesen wären oder Awards gewonnen hätten. Darum standen wir solchen institutionellen Geschichten auch immer etwas skeptisch gegenüber. Es ging ja auch ohne. Wir lebten sozusagen 16 Jahre den feuchten Traum einer Underground-Band, mit allen Auf und Abs. Aber zurück zur Frage: Wir haben das Halbfertige und die Vorläufigkeit bejaht ohne ein abgeschlossenes, wasserdichtes und mit allen Marketingwassern gewaschenes Produkt abzuliefern. Und wir haben immer wieder riskiert, uns lächerlich zu machen, mit unserer relativ großen technischen Ahnungslosigkeit und dem einfach mal Entwurfmäßig loslegen. Saalschutz war von Anfang an auf Flucht nach vorne und Learning by Doing ausgelegt. Die Haltung war: „Du findest es nicht gut? Mach selber eine Band und mach es besser.“ Im unaggressiven Sinne. Eher als Inspiration gedacht. Objektiv wichtig ist das alles wohl nicht besonders. Aber für das Publikum hat das wie gesagt schon eine Bedeutung.
Wie kann man sich bei euch eigentlich den musikalischen Prozess vorstellen, über die Jahre, gab es da eine klare Aufteilung?
Die Musik entstand größtenteils dialogisch, die Texte waren so ein MT Dancefloor-Eigenbrödler-Ding.
Wie soll die Welt besser werden ohne eure Musik? Ist Ravepunk für eine bessere Welt jetzt Geschichte?
Das mit der besseren Welt ist ja eher eine Utopie. Eine sich eröffnende Perspektive. John Lennon Style. Aber mit Nazis, die von schüchternen Nerds zur Strecke gebracht werden. Das wäre vermutlich schon notwendige Bedingung auf dem Weg zu John Lennons „Imagine“-Welt. Die Fackel wird vielleicht weitergetragen, wer weiß. Wir haben einfach einen Vorschlag gemacht. Ein Mosaiksteinchen hingelegt. Das war ein Angebot, keine Aufforderung. Um es in unseren eigenen Worten zu sagen: „Ich will keinen Einfluss nehmen und auch keine Macht haben“.
Ihr habt sowohl politische Musik gemacht, als auch Musik, die einfach den Alltag aufgreift oder relativ banal ist. Wie wichtig ist euch, dass Musik eine Aussage hat?
Das ist völlig verschieden. Wenn die Aussage stark ist und nicht arschlochmäßig beeindruckt uns das schon. Aber wenn es gute Nonsense-Wortspiele sind ebenso.
Eure Musik ist hauptsächlich auf Spaß ausgelegt und ihr steht als Band für gute Partys, was das Politischssein natürlich nicht ausschließt. Aber ist Hedonismus für euch die höchste Maxime?
Wir sind vermutlich keine Hedonisten. Dafür war ja der Entstehungsprozess der Platten schon zu wenig luststeigernd. Es war immer toll, wenn sie fertig waren. Aber der Weg dorthin war abgesehen von der ersten ziemlich hingeschluderten Platte schon mal sehr steinig.
Wie sehr hat euch das Zusammenleben als Band verändert?
Wir wurden mit der Zeit etwas pragmatischer. Wir haben z. B. auch mal wegen einer zu wenige hohen Gage abgesagt. Oder eine musikalische Idee mal nicht auf Biegen und Brechen durchgeprügelt, als es nicht mehr weiterging.
Ihr wart als Band immer nur zu zweit. Geht man sich bei Projekten nicht auf Dauer auf den Sack?
Doch. Aber wir haben irgendwann immer Einzelzimmer verlangt. Das hat dazu beigetragen, die Band über die Jahre zu retten, bis zum einvernehmlichen und friedlich abgesprochenen Ende.
Gibt es eine Band, bei der ihr gerne mal Vorband gewesen wärt? Oder einen Künstler, der euch bis heute inspiriert?
Iron Maiden wäre geil. Aber das hätte Iron Maiden wohl niemals zugelassen.
2016 wart ihr auf dem „Rage against Abschiebung“. Glaubt ihr man kann mit Musik etwas in Politik und Gesellschaft ändern?
Ja, vermutlich hat Musik schon einen Einfluss. Sie kann Leuten das Gefühl geben, nicht alleine zu sein. Und sie kann mithelfen, Leute zu sozialisieren. Aber man sollte da seine Möglichkeiten auch nicht überschätzen. Wir verstanden das immer so, dass wir auch mit nicht expliziter Kunst ein gutes Projekt unterstützen können.
Im März habt ihr noch auf Facebook gepostet „Wir sind das Sturmgeschütz des Wohlklangs und kämpfen dafür, dass es der Musik auch in Zukunft gut geht. Seit 2001.“ Auf welcher Ebene wird der Kampf in Zukunft stattfinden?
Auf der feinstofflich-marktschreierisch-akrobatischen Ebene vielleicht?
Ihr lasst es euch nicht nehmen, das Projekt Saalschutz nochmal mit einem lauten Knall zu beerdigen und geht auf Abschiedstour. Wie fühlt ihr euch?
Voller Vorfreude.
Habt ihr abschließend noch etwas zu sagen?
Danke für alles. Es war wirklich eine der besten Zeiten unseres Lebens. Besonderer Dank gebührt neben den Fans den ehemaligen Labels und dem aktuellen Label Audiolith - mitsamt erweitertem Umfeld und den lieben Menschen, die dort ihr Herzblut einbringen. Sowie den Live-TechnikerInnen, den Studiomenschen und der Grafik-Crew.
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