Wir haben so viel Spaß gehabt mit dem Trouble Orchestra. Es war, ist und wird immer eine fantastische Band bleiben. Daher wollten wir sie nicht einfach so von dannen ziehen lassen. Bevor sie ihr letztes Konzert spielen im Knust am Samstag hat unser werter Freund und Kollege Henry Lührs sich die Gäng noch für ein letztes Interview vorgeknöpft.
Ihr habt euch gemeinsam dazu entschlossen, die Band als solche aufzulösen und das Projekt „Trouble Orchestra“ zu beenden. Wie fühlt ihr euch damit?
Wenn man nach all der Zeit, all dem Erlebten und Investierten nicht einen dicken Kloß im Hals hat bei so einer Entscheidung, ist gehörig was schief gelaufen. Die Zeit bedeutet uns total viel, wir haben so viel miteinander erlebt und durchgemacht, dass uns die Entscheidung auch viel abgerungen hat. Wir sind durch die Band auch nochmal ganz anders und enger zusammen gewachsen. Jeder hatte mit der Entscheidung zu kämpfen, wenn auch jeder auf seine Weise. Aber am Ende des Tages ist es richtig diesen Schritt jetzt zu gehen, auch wenn er verdammt weh tut.
Nach knapp 4 Jahren, fehlte letztendlich der Rahmen um „Trouble Orchestra“ als Band zu halten. Woran lag das?
Manchmal gibt es anscheinend Dinge im Leben, die das Weitermachen in einem so zeitintensiven Projekt wie einer Band unmöglich machen. Jeder trifft da seine Entscheidungen und hat seine Prioritäten. Selbst wenn einzelne von uns gern weitergemacht hätten, es wäre nicht mehr „Trouble Orchestra“ gewesen.
„Trouble Orchestra“ hat sich aus dem Projekt Johnny Mauser entwickelt. Wie ist es dazu gekommen, dass ihr euch als Band so gefunden habt? Seid ihr mit der Entwicklung rückblickend zufrieden?
Das hat sich da tatsächlich ziemlich spontan zusammengewürfelt. Kralle und Sjard haben mit Johnny in Lüneburg mal die Idee gehabt seine Songs mit echten Instrumenten zu performen, Jakob, Jonas, Phurioso und anfangs ja auch Marie Curry kamen dann recht schnell dazu. Die Dynamik war super. Wir haben sehr schnell erste Konzerte gespielt, viele Solishows und sowas. Und auch unsere erste Tour mit Refpolk und Kai Kani zusammen war super. Wir sind absolut zufrieden, weil wir immer eine richtig gute Zeit hatten und uns trotz dem ab und zu anstrengendem Drumherum musikalisch ausleben konnten.
So richtig kann man den Sound von „Trouble Orchestra“ nicht zusammenfassen. Gitarre und Rap ist ja eine eher seltene Mischung. Ihr seid unterschiedliche Typen aus musikalisch unterschiedlichen Ecken, die über die Jahre unterschiedliche Songs geschrieben haben. Wenn ihr eure Musik trotzdem kurz und knapp beschreiben müsstet, wie würde das klingen?
Wir denken dass es das besondere an dem Projekt ist, dass es sich einer einfachen Definition ein bisschen entzieht. Das haben wir oft auch als Feedback bekommen. Zum Beispiel haben auch die Jungs von „Sibirian Meatgrinder“, einer russischen Deathmetal-Band zu uns gesagt, dass sie diesen wilden Mix bei uns so feiern. „Ihr seid echt ein verrückter Haufen“ haben wir immer wieder gehört und es jedes Mal als etwas Gutes verstanden. Was wir machen ist und bleibt natürlich Pop im weitesten Sinne, aber in einer Schublade wollten wir nie sein, da fangen wir am Ende erst Recht nicht mit an.
Auf „Johnny Mausers“ Blog war im Januar 2015 zu lesen: „Wir hatten den großen Drang, endlich etwas Eigenes, Großes auf die Beine zu stellen. Der Plan entstand 2013. Haben wir selber daran geglaubt? Unklar. Waren Audiolith Records von Anfang an sicher, dass wir da was Richtiges auf die Reihe kriegen? Unklar.“ Wie würdet ihr das jetzt rückblickend betrachten?
In jedem Fall haben wir unsere Naivität immer ziemlich gesund dosiert. Natürlich haben wir auch davon geträumt, dass uns das Projekt überraschend über den Kopf wächst. Das ist ja auch total wichtig. Allerdings waren wir da nie so verbissen, dass uns der Spaß an dem Ganzen hätte verloren gehen können. Ob es nun das Songwriting, die Konzerte oder nur ein Abend im Park war. Wir hatten eine wirklich schöne Zeit. Wir sind getourt, haben auf größeren Bühnen gespielt und es auch geschafft genug einzunehmen um nicht mehr heftig draufzahlen zu müssen.
Im Oktober 2014 hattet ihr eure „HEITER-Tour“. In 16 Tagen habt ihr ganze 14 Städte besucht. Wie hat euch diese intensive Zeit als Band geprägt?
Sehr. Bei so einer Tour wächst man auch stark zusammen und lernt viel über sich als Musiker. Wir haben uns ziemlich eingespielt und bei der Tour waren wirklich einige wahnsinnig schöne Konzerte dabei. Es war für uns sehr gut zu sehen, dass es so viele Leute gibt, die schon bei unserem Debutalbum an Trouble Orchestra geglaubt haben, sei es das Booking von Audiolith, Veranstalter und vor allem Konzertbesucher. So eine lange Tour ist auch anstrengend, aber das hat sich mehr als gelohnt und wir wollen die Erfahrung niemals missen.
Ihr seid in der Band zu sechst. Wie kamt ihr miteinander als Gruppe klar und wie kann man sich die Verteilung bei der Entwicklung neuer Songs vorstellen? Gibt es da klare Rollenverteilungen?
Abgesehen davon, dass Kralle seinen Bass grundsätzlich zu laut dreht, kommen wir eigentlich ganz gut miteinander klar. Nee Quatsch. Sechs Köpfe sind eben sechs Köpfe und die knallen auch mal aneinander. Aber am Ende des Tages sind wir einfach Kumpels, die sich sehr schnell wieder zusammenraufen. So eine richtig klare Verteilung beim Entstehen von Songs gab es dementsprechend auch nicht. Klar spielen sich bestimmte Muster ein, aber es war immer der Raum da, dass sich jeder einbringen konnte.
Konnten immer alle Wünsche und Vorstellungen innerhalb der Band miteinander vereinbart werden?
Bei sechs Menschen muss man da auch Kompromisse eingehen. Ein paar von uns haben vorher auch schon in anderen Bands gespielt und vor Allem in Anbetracht unserer verschiedenen Geschmäcker, lief das bei uns immer sehr entspannt. Wenn man ehrlich ist, war es einfach nie Thema, dass sich jemand mit irgendetwas nicht richtig identifizieren konnte.
Im Oktober 2015 hat Johnny Mauser die Band bereits verlassen und Luk kam dafür hinzu. Wie hat das die Dynamik verändert und wie ging es weiter?
Für uns alle war das ein Neuanfang. Luk sprang ja schon eine ganze Zeit in unserem Freundeskreis herum und war auch schon bei unserer Release-Show zu HEITER im Knust. Daher war es von vornherein klar, dass wir alle cool miteinander sind. Durch Luk kam ein neuer Drive in die ganze Sache, was uns schon noch mal ziemlich stark gepusht hat. Jonas hat dann unseren Gruppenchat dementsprechend auch gleich motivierend „TO let’s go!“ genannt. Irgendwo haben wir dann auch mit Luk unsere „Flegelhaftigkeit“ lieben gelernt und viele neue Songs statt mit pochendem Herzen auch mal mit flacher Hand geschrieben.
Wie sehen eure privaten und musikalischen Pläne aus? Johnny Mauser geht mit Neonschwarz auf Tour aber was wird aus euch anderen? Bleibt ihr alle bei der Musik?
Klar geht es musikalisch für uns weiter und wir bauen auch irgendwo bestimmt auf Dinge auf, die sich während der aktiven Zeit von Trouble Orchestra entwickelt haben. Einige von uns haben schon konkrete Pläne. Es endet eben nur eine Etappe. Neue Projekte erfordern ja auch Weitsicht und Zeit. Wie das im Detail alles aussieht, wird sich nach unserem Abschiedskonzert zeigen.
Ist trotz Auflösung der Band ein gemeinsames Projekt irgendwann nochmal denkbar?
Ausgeschlossen ist gar nichts. Wir haben aber alle das Gefühl, dass wir erstmal Trouble Orchestra zu einem Knaller-Abschied bringen müssen, das schulden wir uns und diesem wichtigen Projekt einfach. Es ist unglaublich viel in den letzten Jahren passiert und wir müssen uns alle erst mal sortieren bevor wir darüber nachdenken können uns in neue Dinge zu stürzen. In den letzten Jahren ist bei jedem einzelnen von uns so viel passiert, dass man einfach nicht sagen kann, was in den nächsten Jahren passiert.
Was war das Beste, was euch beim Label „Mama“ Audiolith passiert ist?
Lars hat uns mal zum Essen eingeladen, da haben wir alle 3,50 Euro für einen Döner gespart. Und sein Sohn hat Kralle mal zum Ritter geschlagen. Auf jeden Fall haben wir ihnen„Heiter“ in einem besonderen Keller auf St. Pauli vorgespielt als es schon fertig aufgenommen war und das war auch auf jeden Fall ein spezieller und entscheidender Moment. Spaß bei Seite und ganz ehrlich: Das Beste was passiert ist, ist dass die alle da sind. Sie haben uns immer bedingungslos unterstützt, niemals reingeredet und mit seichten Arschrtritten versorgt, wenn es sein musste.
Gibt es ein prägendes Erlebnis, auf einer Tour, einem Festival oder sonst wo, von dem ihr sagt, dass es euch auf jeden Fall in Erinnerung bleibt?
Da gibt es auf jeden Fall mehrere Erlebnisse. Es ist ja auch individuell, was man sich am meisten merkt. Eine Sache die wir alle nie vergessen werden war die letzte Show mit Johnny. Dass er geht, war zu dem Zeitpunkt noch nicht raus, aber Luk war schon dabei und hat schon Giotto Rehagel und Einself mitperformed, die wir an das Ende des Sets gelegt haben. Die Show war in der Nähe von Hamburg und eine gute Freundin von uns allen hatte am selben Tag Geburtstag. Dementsprechend war sie mit einer riesigen Gang beim Auftritt. Alle hatten sich auf eine große, melancholisch-freudige Party eingestellt und fieberten so den letzten Tracks entgegen. Kurz vor dem emotionalen Moment dass Luk auf die Bühne kam, Johnny seine letzten Tracks mit uns performed und alle sich irgendwie heulend in den Armen liegen wurde dann im Publikum gezündet. Die Ordner sind total ausgerastet und haben angefangen auf unbeteiligte Leute einzuschlagen. Es gab also ein heilloses Durcheinander und das während unserer Show. Wir haben dann abgebrochen und erst weitergespielt als geklärt war, dass sich niemand verletzt hatte und niemand des Geländes verwiesen wurde. Letztendlich ging alles glimpflich aus und die Festival-Orga hat sich auch sehr solidarisch verhalten. Die Ordner durften jedenfalls nicht weiterarbeiten. Wir standen nach der Show im Backstage und schauten uns alle nur mit großen Fragezeichen in den Augen an, weil keiner so richtige raffen konnte was da gerade passiert ist. Das war ein super verrückter Abschied, den niemand so erwartet hatte und der irgendwie auch keiner war. Anschließend hatten wir noch eine wilde Nacht in Hamburg, deren kompromittierende Details wir hier lieber nicht verraten.
Wie es für Audiolith typisch ist, lasst ihr es euch nicht nehmen trotz einer geilen Party auch immer politisch zu sein. War das für euch als Zusammenschluss auch ein wichtiger Schwerpunkt oder passiert das ganz automatisch?
Die Line von Luk „Ich bin am trinken, also lass mal über Hegel reden“ ist durchaus ernst gemeint. Klar sind wir alles politische Menschen und machen natürlich auch neben der Band Kram miteinander. Es ist ja unmöglich das politische Menschen zusammen Musik machen und da nichts irgendwie politisches herumkommt. Dennoch würden wir uns sehr stark dagegen wehren uns als vornehmlich politisches Projekt zu verstehen. Wir sind eine Band und machen vor allem erstmal Musik. Dass unsere Meinungen und Einstellungen immer Einfluss genommen haben auf unsere Songs ist klar, aber wir wollten nie die Linke Party-Band sein und nur Musik für Polit-Aktivisten machen oder einfach mit Parolen-Punk auftrumpfen.
Gibt es eine Band, von der ihr alle sagen könnt, dass ihr sie geil findet? Oder die ihr gerne mal supportet hättet?
Support hätten wir bestimmt für viele Bands gespielt, nicht zuletzt für Kraftklub. Ansonsten gibt es definitiv Songs, die wir alle feiern. Und eine Band? Ist Scooter eine Band?
In eurem Song „Einself“ singt ihr, dass Audiolith die „Moshparts“ fehlen. Habt ihr als Band etwas daran geändert?
Ja. Einen gibt es jetzt.
Habt ihr einen Trost für die Menschen, die euch als Band vermissen werden?
Man trifft uns auf jeden Fall öfter in Hamburg und wir halten gern unsere Schultern hin gegen das Vermissen. Wir werden die Band ja auch vermissen. Außerdem können sich die diejenigen die uns verfolgen noch auf zwei neue Songs freuen die ganz bald erscheinen werden. Das war garnicht so leicht für diese aufzunehmen, da wir wussten dass die beiden wirklich unsere allerletzten Songs sind. Dafür gefallen uns die Songs umso besser, die machen nochmal richtig Bock. Das ist für uns auf jeden Fall auch ein kleiner Trost, noch ein paar Lieder festhalten und teilen zu können.
Bleibt ihr trotzdem noch die Jungs von der Tanke?
Definitiv. Für uns ändert sich ja auch nicht alles. Wir hängen ab wie wir es immer getan haben. Wir gehen zusammen saufen oder eskalieren im KDT, dem besten und exklusivsten Club der Stadt. Wir fahren zusammen in den Urlaub und auf Festivals in Osteuropa oder sowas. Also klar: Wir bleiben die Boys von der Tanke, nur der passende Soundtrack wird nicht mehr von uns kommen, sorry.
Am Samstag spielt ihr euer Abschiedskonzert in Hamburg. Wie fühlt sich das an?
Geil und scheiße zugleich. Klar freuen wir uns alle auf die Show. Es kommen Freunde und Familie und viele Menschen, die uns begleitet haben oder einfach unsere Musik mögen. Die Aftershowparty wird eindeutig der Wahnsinn. Und dass vorher Kobito noch in der Hanseplatte sein Release feiert ist natürlich auch bombe. Es wird bestimmt auch ganz schön emotional und traurig. Für uns alle endet einfach ein wichtiger Abschnitt, in dem wir so viel Schönes gemeinsam erlebt haben. Wir freuen uns auch auf das danach, aber man muss sich auch wirklich nicht einreden dass das alles super easy wird am Samstag. Wir gehen da mit einem riesigen Mischmasch an Gefühlen ran. Sobald der erste on stage heult, brechen alle Dämme. Hoffentlich hat irgendjemand ein Taschentuch dabei. Und ein Bier.
Goodbye Trouble Orchestra @ Knust
Trouble Orchestra @ Audiolith Shop